Wie ein roter Faden lässt sich im Werk von Hannes Fladerer die vielfältige Beziehung Gefäß : Inhalt, Gestalt : Gehalt, Form : Geformtes, verfolgen, und kontrapunktisch dazu die Auseinandersetzung mit verschiedenen Materialien, sei es im zuordnenden Dienst zur Sprache der Form, sei es im Hinblick auf die je eigene „Material-Sprache.“ Die jüngsten Arbeiten meditieren und variieren immer wieder eine Gestalt, das organische Herz — mit seinen funktionsbedingten Form-Elementen — sei es in Metallen oder in synthetischem Material, sei es in geschlossenem, in geöffnetem oder in zerlegtem Zustand, sei es — im Hinblick auf das Menschen-Herz — in verkleinertem, in lebensgroßem oder in überdimensionalem Maß, sei es in freier spielerischer Lust an der Variation der Formen oder in Hinordnung auf bestimmte Funktionen des Gebrauchs, wie zum Beispiel als Hostienschale.
Ganz anders verhält es sich mit dem Material Holz, das Hannes Fladerer immer wieder mit seinen Herzformen kontrastiert. Holz ist nicht gemacht, sondern gewachsen. Seine je eigentümlichen Gestalten hat es im Lauf von Jahren, Jahrzehnten oder auch Jahrhunderten selbst gefunden und bewahrt. Holz kann gelesen werden und soll auch gelesen werden. Holz wird von Hannes Fladerer nur geringfügig bearbeitet, er verwendet es fast nie als passives Material, dem er „seine“ Aussage durch willkürliche Formgebung aufnötigt, er bringt vielmehr die vorhandene Aussage zur Geltung, lässt sie aber nicht selten in kontrapunktischem Dialog mit seinen künstlerischen Aussagen in anderen Materialien treten. Das verleiht seinen Werken eine starke eigentümliche Dynamik.
Philipp Harnoncourt, 2002
— 4 Studien zur Form des menschlichen Herzens — 2000 — 1998